Für den Phytotherapeuten ist die Systematik wichtig, um eine gewisse Ordnung in der Vielzahl der Arten zu finden. Diese Ordnung wird vor allem aufgrund morphologischer Gemeinsamkeiten gesucht und lässt auch gewisse Rückschlüsse auf Inhaltsstoffe und damit phytotherapeutische Anwendungsgebiete zu.
So sind z.B. die vier hauptsächlich durch ätherische Öle in ihren Früchten carminativ wirkenden Pflanzen Anis, Kümmel, Fenchel und Koriander Doldenblütler, während sich Lippenblütler auch durch ätherische Öle, Bitterstoffe und Lamiaceengerbstoffe auszeichnen. In der Praxis werden aber bei den Lippenblütlern die ätherischen Öle nicht aus den Früchten, sondern aus dem Kraut gewonnen und haben zwar teilweise überschneidende, aber doch auch unterschiedliche Anwendungsgebiete.
Die Systematik in der Botanik ist aufgrund wissenschaftlicher Arbeit ständig im Fluss. Derzeit gilt als Ziel der botanischen Systematik die tatsächlichen, nachgewiesenen Verwandtschaftsverhältnisse abzubilden. („natürliche Systeme“)
Um dieses Ziel zu erreichen, werden ältere, vor allem morphologisch orientierte Ordnungsprinzipien („künstliche Systeme“) in Frage gestellt und wesentlich modifiziert.
Für den morphologisch orientierten Phytotherapeuten und Hobbybotaniker, der Familie, Gattung und Art an ihrem Aussehen erkennt, wird damit die Übersicht schwieriger.
Trotzdem soll versucht werden, eine vereinfachte und doch korrekte Systematik darzustellen.
Ich übernehme also die Idee Entwicklungsschritte als Ordnungsprinzip darzustellen
Die Systematik der Familie ist zwar relativ stabil, in einigen Fällen aber doch im Fluss. Als Hobbybotaniker und alleine schon von der zur Verfügung stehenden Methodik der morphologischen Bestimmung mit freiem Auge und Lupe eingeschränkt, mag man das bedauern. Von den gegebenen wissenschaftlichen Zielsetzungen her ist diese Tatsache aber verständlich.
Gattung und Art selbst werden weiter morphologisch bestimmt.
Das Problem ist oft, dass morphologische und selbst funktionelle Ähnlichkeiten nicht immer mit der tatsächlichen Nähe der Verwandtschaft exakt übereinstimmen. Tendenziell stimmen diese Beziehungen schon, aber eben nicht immer im Detail, so dass sich dann doch von der morphologischen eine abweichende phylogenetische Verwandtschaft herausstellt. Diese Tatsache bedingt, dass wissenschaftliche Arbeit in der Systematik zu Änderungen führen können.
Stellen Sie sich ein etwas abgelegenes kleines Dorf vor, in dem seit Generationen vor allem miteinander verwandte Familien leben. Die Menschen des Dorfes sind bei einem Fest versammelt. Sie stimmen einem Spiel zu, in dem Sie als Fremder nach äußerlichen Merkmale erraten, wer zu welcher Familie gehört und wie die Verwandtschaftsbeziehungen sind. Sie werden eine ungefähr gleichaltrige Gruppe junger Männer vorfinden, die im Dorf wohnt und Bärte tragen und ähnlich gekleidet sind. Sie sind auch alle ungefähr gleich groß, haben eine ähnliche Haar- und Bartfarbe und sind kräftig gebaut. Dann haben Sie Männer mittleren Alters. Die haben sich ein bisschen auseinanderentwickelt. Manche von ihnen sind weiterhin im Dorf geblieben und kleiden sich „wie alle im Dorf“, manche sind in die nahe gelegene Stadt gezogen, sind rasiert, haben ein kleines Bäuchlein angesetzt und sind anders gekleidet. Die jungen Mädchen tragen langes Haar nach der gerade im Dorf herrschenden Mode. Die eine oder andere ist schon verheiratet und hat ein Kind. Sie trägt das Haar kürzer und ist dezenter gekleidet, als die Mädchen, die noch auf der Suche nach einem Freund sind usw.
Auf was ich hinaus möchte ist, dass Sie sich nach Ihrem Spiel, die Verwandtschaftsbeziehungen herauszufinden nicht wundern werden, wenn in einer Gruppe gar nicht die Brüder, sondern vielleicht mehr Cousins und vielleicht der eine oder andere aus einer vor zwei Generationen zugewanderten Familie sind, während der eine oder andere ältere Bruder, der jetzt in der Stadt wohnt gar nicht zugeordnet werden kann. Das gleiche gilt für Mädchen, Damen und ältere Männer usw.
Vielleicht hängen an den Wänden des Gasthauses Fotos, die Sie für Ihr Ratespiel auch nutzen können. Sie können vielleicht hilfreich sein, vielleicht nur für weitere Verwirrung sorgen.
Vor einem ähnlichen Problem steht die botanische Systematik, wenn sie nach phylogenetischen Gesichtspunkten erfolgen soll. Wenn also die tatsächliche Abstammung mittels molekulargenetischer Methoden nun festgelegt werden kann, während früher nur die Morphologie, andere Eigenschaften (z.B. Phytochemie) oder Fossilien für die Einteilung herangezogen wurden.
Es gab Zeiten in denen man eine Einteilung in Mineralien, Tiere und Pflanzen verwendete (Aristoteles). Später fielen die Mineralien aus der Systematik der Lebewesen heraus. Wieder viel später erkannte man, dass Pilze eigentlich ganz anders als Pflanzen sind und trug dieser Erkenntnis in der Systematik Rechnung. Für uns, die wir mit unbewaffnetem Auge, oder bestenfalls mit der Lupe forschen, gar nicht nachvollziehbar ist dagegen die Ebene der Bakteria, Archaea und Protisten.
Eine Ordnung nach verwandtschaftlichen Verhältnissen, also nicht nach bloßer Ähnlichkeit benutzt sogenannte Kladen.
Eine Klade ist eine Gruppe, die den letzten gemeinsamen Vorfahren und alle seine Nachkommen beinhaltet („Monophyletische Gruppe“).
In rein morphologisch entstandenen Ordnungsprinzipien können auch paraphyletische Gruppen vorkommen. Alle Mitglieder der Gruppe gehen auf einen gemeinsamen Vorfahren zurück. Die Gruppe enthält aber nicht alle Nachfahren des Ahnen.
Sie hätten in unserem Ordnungsspiel etwa tatsächlich zwei Brüder mit Bart richtig zugeordnet, aber übersehen, dass der ältere Bruder, ohne Bart und anders gekleidet und der jüngste Bruder, ein Nachzügler, der 6 Jahre jünger, als der zweitjüngste ist, ebenfalls die gleichen Eltern hat.
Ebenso können sich Gruppen aufgrund zufälliger Ähnlichkeiten ergeben, die keinen unmittelbaren gemeinsamen Vorfahren haben. Man nennt sie polyphletische Gruppen.
In unserem Beispiel von dem Dorf wären das z.B. alle Bartträger, also auch die, deren Vorfahren erst vor einer Generation in das Dorf zugewandert sind und die, deren Familien zwar schon länger im Dorf leben, die aber nicht näher miteinander verwandt sind.
Klassisch erfolgt eine Einteilung in
Alle Lebewesen bestehen aus Zellen. Entweder sind sie selbst einzelne Zellen, oder sie bestehen aus mehreren oder sehr vielen Zellen.
Nach dem prinzipiellen Aufbau der Zelle unterscheidet man solche mit einem echten durch eine Doppelmembran vom Zytoplasma abgegrenzten Zellkern, von solchen, deren Erbinformation frei im Zytoplasma liegt.
Die mit einem echten, durch eine Doppelmembran vom Zytoplasma abgegrenzten Zellkern ausgestatteten Zellen zählt man zur Domäne der Eukaryota. Zu ihnen gehören Protisten, Pflanzen, Pilze und Tiere.
Die Zellen, deren Erbinformation frei im Zytoplasma liegen heißen Prokaryota. Zu ihnen zählen Archaea und Bacteria.
„Chloroplastida“ oder „Viridoplantae“ sind eine Gruppe von Eukaryoten. Zu ihnen gehören die Grünalgen und die Landpflanzen. Das Wort weist schon auf die wichtige Eigenschaft hin, nämlich dass sie in speziellen Organellen den „Chloroplasten“ mittels Chlorophyll Photosynthese betreiben.
Man geht heute davon aus, dass Euzyten (einzellige Eukaryoten) ursprünglich Protozyten (einzellige Prokaryoten, nämlich Cyanobakterien) mit der Fähigkeit zur Photosynthese endozytierten (aufnahmen) und nach einer Phase der Symbiose diese Protozyten zu Zellorganellen wurden.
Chloroplastida umfassen die „Grünalgen“ und die Landpflanzen.
Zu den „Grünalgen“ gehören allerdings nicht näher miteinander verwandte Gruppen, so dass dieser Begriff in der phylogenetisch orientierten Systematik eigentlich obsolet ist, zumindest kein Taxon sondern eine „paraphyletische“ Gruppe bezeichnet.
Die Gruppen die früher unter „Grünalgen“ zusammengefasst wurden, sind „Chlorophyta“ und „Charophyta“.
Zu den Charophyta gehören die Armleuchteralgen, die gemeinsam mit den Embryophyta (=Landpflanzen) die phylogenetische Gruppe der Streptophytina bilden.
Taxon von Pflanzen, deren gemeinsames Merkmal der Embryo ist, der sich bei Samenpflanzen im Samen befindet.
Von den durch morphologische Kriterien definierten Gruppen sind aber wiederum nur die Samenpflanzen monophyletisch. .
Zu den Moosen zählt man folgende nicht näher miteinander verwandten Gruppen im Rang einer Unterabteilung:
Die Gefäßsporenpflanzen werden dadurch abgegrenzt, dass sie Tracheophyten sind und sich mittels Sporen vermehren.
Nach phylogenetischen Gesichtspunkten wäre aber folgende Einteilung gerechtfertigt:
Dabei sind aber Farne phylogenetisch näher mit den Samenpflanzen verwandt, als mit den Bärlappgewächsen.
Die Samenpflanzen vermehren sich durch Samen und werden in erster Linie in Nackt-(Gymnospermen) und Bedecktsamer (Angiospermen) eingeteilt.
Die Gymonspermen (Nacktsamer) sind Pflanzen, deren Samen nicht von einem geschlossenen Fruchtblatt (ganz) umgeben sind. Somit werden auch keine echten Früchte gebildet.
Die vier Hauptgrippen der Gympnospermen sind:
Bei den Angiospermen (echte Blütenpflanzen) ist der Same in einen Fruchtknoten eingehüllt und es werden Früchte gebildet. Die Systematik der Angiospermen ist im Fluss. Zu ihnen gehören:
Heilpflanzen gehören in der überwiegenden Mehrzahl zu den Angiospermen (Bedecktsamer), so z.B. alle „Heilkräuter“.
Eine geringere Anzahl der Heilpflanzen gehört zu den Gymnospermen (Nacktsamer). Z.B.: alle Nadelgehölze (z.B. Fichte, Föhre, Tanne usw.) und zu den Gingkogewächsen (z.B. Gingko biloba). Ebenfalls zu den Gymospermen, nämlich zu den Gnetales gehört Ephedra, aus der schleimhautabschwellende Substanzen gewonnen werden.
Zu den Gefäßsporenpflanzen, genauer gesagt zu den Polydiopsida (Farnpflanzen) gehört der Schachtelhalm, der als Tee noch eine gewisse Bedeutung hat.
Früher waren gewisse Farne gegen Wurmerkrankungen, Lebermoose gegen Lebererkrankungen und Moose als Wundauflagen in Gebrauch.
Als weitere Gruppe von Lebewesen werden Flechten noch in der Phytotherapie verwendet, nämlich der umgangssprachlich als „Isländisch Moos“ bezeichnete Organismus, der eigentlich eine Flechte ist. Der deutsche Artname müsste also „isländische Flechte“ heißen. Ein veralteter Name ist „Lichen islandicus“ also wörtliche übersetzt „isländische Flechte“. Der derzeit korrekte Name ist „Cetraria islandica“. Flechten sind Symbiosen zwischen einem Pilz und einem zur Photosynthese befähigten Organismen, nämlich einer Grünalge oder einem Cyanobakterium. Streng genommen sind Flechten also nicht den Pflanzen zuzuordnen.